Eine kleine Geschichte

 

Du, weißt du was mir heute passiert ist?

 

Dumme Frage, natürlich nicht!

 

Da war in der Stadt ein Mensch, der sich Jesus nannte ...

 

Na und, es gibt doch hier sowieso mehr Ausländer als Deutsche!

 

Langsam, hör mir doch zu. Er erzählte von einem Land, indem immer Frieden und Liebe und Glück herrschen soll. Es wäre so schön, dass einige Leute sogar all ihren Reichtum an Arme und Kranke hergaben, nur um dorthin zu gelangen.

 

Müssen die dort auch arbeiten?

 

Nein, müssen tun sie nicht, aber sie tun´s freiwillig; denn es gibt dort keinen Stress, keine Hektik, keinen Zeitmangel und auch keine Angst vor dem Morgen. Die Leute sind so anders als hier, stell dir vor dieser Jesus behauptete tatsächlich sie würden sich gegenseitig bei der Arbeit helfen!

 

Is ja´n Ding!

 

Ja und weißt du, sie nennen ihr Land, wo sie leben, Paradies.

 

Erlangen, im September 1981

 

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Das Lachen

 

Da war ein Mädchen, es hatte schöne grünbraune Augen, die von kurzen, schwarzen Wimpern umrandet wurden. Ihr braunes Haar umrahmte ihr ein wenig zu breit geratenes Gesicht, aber wenn sie lachte, vergaß man dies und sah nur ihre beiden Grübchen, die rechts und links von ihrem Mund saßen. Sie lachte gerne und viel, aber manchmal wurde ihr Lachen zu einem Lächeln und in ihren Augen begannen Sterne zu tanzen. Daran sah man, dass sie in Gedanken der Realität entwich und so mancher zerbrach sich den Kopf, wovon sie wohl träumen mochte. Alles an ihr war ein wenig zu breit geraten, aber wenn sie träumte trat eine wundersame Anmut in ihr Wesen und ihre Freunde waren stolz und entzückt von ihr.

Dann kam ihre Lehrzeit und viele Monate kam sie nicht nach Hause. Sie vermisste die Güte und Liebe ihrer Freunde, denn all die Fremden verstanden sie nicht. Sie waren freundlich, aber kalt und unsere Kleine verlernte zu lachen. Sie lachte nicht mehr, weil es ihr übelgenommen wurde und so passte sie sich an.

Ihre Ankunft war schön und sie war glücklich. Doch als sie plötzlich merkte, dass ihre Freunde eigentlich genauso kalt waren, zerbrach ihre Welt. Die Anderen hatten sich auch auf ihre kleine Freundin gefreut und waren erstaunt eine fast erwachsene Frau vorzufinden. Sie reagierten reserviert und registrierten mit Bedauern, dass ihre Kleine nicht mehr lachte. Wenn sie lachte, so war es ein gezwungenes, gequältes Lachen, das ihnen allen ins Herz schnitt. Sie überlegten, wie sie ihr helfen könnten und fragten sie auch, was sie bedrücke.

Da sah sie sie mit großen Augen an und ihr kleines, sonst so lustiges Mädchen sagte einen Satz, der ihnen für immer im Herzen stehen sollte. "Jemand hat mir den Glauben an die Menschen, die Liebe und das Leben und meinen Traum vom Frieden genommen." Dabei sah sie jeden eindringlich an und ihre Augen baten jeden ihr zu verzeihen, sie aber auch ernst zu nehmen.

Die Menschen wunderten und verstanden nicht. Betreten und grübelnd gingen sie auseinander. Noch heute geschieht es, dass ein Mensch diesen Satz sagen muss. Leider jetzt noch häufiger als früher.

 

OF, den 25.12.1981

 

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Also

 

Also mir ist heute etwas komisches passiert, aber ich glaube, man muss dies ganz von vorne hören und selbst dann ist es schwer zu verstehen.

Den ganzen Tag schneite es schon, ich hatte bereits 2 Fahrstunden, ein nicht sehr erfreuliches Telefongespräch mit Frank und einige nachdenkliche Stunden hinter mir.

Ich saß also in meinem Zimmer und ärgerte mich. Damit meine Mutter dies nicht bemerkte, saß ich in meinem Schaukelstuhl und blätterte in regelmäßigen Abständen eine Seite, des in meinen Händen liegenden Buches um.

Auf einmal wurde das Zimmer zu klein und zu eng. Warm angezogen verließ ich wenige Minuten später die Wohnung und ging in Richtung Wald. Nachdem ich ungefähr eine halbe Stunde unterwegs war, fiel mir in meiner Nähe ein Lichtschein auf. Neugierig, wie ich nun einmal bin, ging ich darauf zu und war erstaunt, als ich dort ein kleines Männchen sitzen sah. Er war ca. 1,20m groß und hatte eine unmögliche Figur, wie ein Sack Tannäpfel.

Ich dachte schon ich hätte Halluzinationen und wollte weitergehen, als sich plötzlich auf dem Hutzelgesicht ein Lachen abzeichnete. "Na, endlich, da bist du ja! Ich warte schon seit 13 Uhr auf dich!"

Fieberhaft überlegend, was denn wohl um 13 Uhr gewesen sei, nahm ich den angebotenen Platz an.

Da, ein Gedankenblitz >13 Uhr = Frank<

"Wieso 13 Uhr?", fragte ich argwöhnisch und er fing wieder an zu lachen. Sein Bierbauch wackelte in dem viel zu großen blau-rot-karierten Hemd und seine Füße in den zerlumpten Schuhen fingen an zu tanzen. Während er mir erklärte, dass er jeden Tag jemanden, der sich geärgert habe, in den Wald hole, schaute ich mir dieses zwielichtige Persönchen genauer an. Seine braune Hose passte nur um den Bierbauch, ansonsten schlabberte sie und war bestimmt zigmal hochgekrempelt, damit er nicht stolpere. Die Falten um Augen und Mund waren Lachfalten und jedes Auge hatte andere Farben, jawohl Farben. Sie waren bunt und obendrein blitzte der Schalk aus ihnen. Sein graues, ungepflegtes Haar, auf dem ein grüner Filzhut saß, schien früher bessere Zeiten gesehen zu haben und ich nannte ihn Gabriel.

 

Nachdem er mir einiges über seine >angebliche< Herkunft erzählt hatte, fragte ich ihn warum er mich eigentlich in den Wald gerufen habe. So langsam, aber sicher wurde mir kalt und ich wollte so bald als möglich wieder nach Hause.

"Schade!", seufzte der Wicht und fing an mich nach Frank und mir auszufragen. Manches konnte ich beantworten, aber vieles nicht. Mit jeder schuldig gebliebenen Antwort wurde sein Gesicht strahlender und ein breites Lächeln erschien auf seinen Lippen.

"Mensch, Mädchen!", sprach Gabriel, "ihr beide habt ja noch so viel zu lernen!"

Nun fing er an von Liebe, Glück, Trauer, Hoffnung und Schweigen zu erzählen. Dies alles mit einem Eifer und mit einer Lebendigkeit, dass mir richtig warm wurde und die Worte sich unweigerlich eingruben. Seine Sprache war nicht die feinste, aber es war die Sprache der Menschen. Der Leute, die er zu sich rief.

Verwirrt und voller Hoffnung ging ich nachhause. Ich liege hier auf meinem Bett, schreibe das eben erlebte auf und je mehr ich auf den Blättern lesen kann, desto mehr glaub ich: ich spinne.

Aber woher kommen die Worte, die noch immer in mir nachhallen?

 

" Solange die Hoffnung deine Liebe trägt, solange wird in dir das Lied der Liebe singen und nichts wird dich von deinem Weg abbringen! "

 

OF, im März 1983